Buchbesprechung

Was würden Sie antworten, wenn Sie am Telefon gefragt würden: „Hättest Du Lust, mit mir um die Welt zu segeln?“ Beate Kammler sagte ja.

Und so segelte sie mit ihrem ersten Mann Peter Kammler von 1970 bis 1974 in dreieinhalb Jahren um die Welt, 32.000 Seemeilen immer der Sonne nach. Auf der Bordschreibmaschine entstand dieses Buch – geschrieben von einer jungen Frau, deren physische Attraktivität und geistige Beweglichkeit den Verdacht gar nicht erst aufkommen lassen, ihre Beteiligung an diesem Eheabenteuer zur See sei Ausdruck eines frustrierten Lebensgefühls gewesen.

Weltschmerz und Menschenverachtung, Todessehnsucht und Publicitysucht finden nicht statt. Der Ton ist auf Alltag gestimmt, und in den unvermeidlichen Augenblicken der Krisen trägt die Autorin unter dem Ölzeug schützende Ironie. So unternimmt Beate Kammler die Beschreibung ihres Versuchs, sich in einer technischen, salzüberkrusteten Männerwelt zurechtzufinden, mit der sie schliesslich nach nervendem Kampf ihren Frieden macht.

Als erste Deutsche Weltumseglerin schreibt sie darüber und spricht offen von den psychologischen Schwierigkeiten der Anpassung einer Frau an endlose Tage auf See. Sie spart die bordspezifischen Probleme nicht aus und nicht die Agressionen, die so sicher kommen wie Sturm und Flaute. Sie prägt im Zorn das aufbegehrende Wort von der Bordfrau als „Sexualproviant“. Es ist dies überhaupt kein Buch über sorglose Weltenbummelei.

Der Traum vom Paradies in der Südsee war ausgeträumt, als die Kammlers dort ankamen. Sie fanden einmal mehr bestätigt: Die Paradiese sind ausverkauft. Und die Probleme unserer Welt, folgten ihnen im Kielwasser oder waren, wenn sie ankamen, schon da: Poststreiks, Warenembargo, Geldabwertungen, Revolutionen, Krieg. Statt immer nur sorglos in die Sonne zu blinzeln, sahen sie auch Rassenkonflikten und Armut, dunkelhäutiger Überbevölkerung und weisser Arroganz ins hässliche Gesicht.

Ist dieses Buch also ein politisches, ein garstiges Buch?
Natürlich nicht. Es ist ein menschliches Buch vom Leben unter weißen Segeln und schwarzen Wolken, unter Masten und Palmen, Menschen und Tieren. Dieses Buch räumt mit Illusionen auf und sieht der Wirklichkeit ins Gesicht. Dadurch wird es nachvollziehbar – im Menschlichen wie im Seglerischen. Es ist eine ungeschminkte und dennoch charmante, eine effektvoll geschriebene und dennoch nicht affektierte Gebrauchsanweisung für ein ungewöhnliches Leben zu zweit, das nach diesem Abenteuer dennoch sein Ende fand.

Horst Stern
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